Pflanzliche Arzneimittel: der lange Weg in die Faltschachtel
Arzneimittel mit pflanzlichen Wirkstoffen, sogenannte Phytopharmaka, können besonders bei Alltagserkrankungen wie Erkältungen, Schlafstörungen oder Harnwegsinfekten eine große Hilfe sein. „Sie sind wirksam und meist sehr gut verträglich. Gerade deshalb fragen Patienten in der Apotheke gezielt danach", meint Nils Ole Wolcke, Geschäftsführer des PhytopharmakaHerstellers Schaper & Brümmer in Salzgitter. Pflanzliche Arzneimittel sind für Wolcke ein wesentlicher Bestandteil des ärztlichen Behandlungsspektrums und damit eine wichtige Voraussetzung für Therapievielfalt, auch in der Selbstmedikation.
Phytopharmaka gehören in Deutschland wie Homöopathika und Anthroposophika zu den „Besonderen Therapierichtungen". Dabei sind Phytopharmaka vom Wirkansatz her streng genommen der Schulmedizin zuzurechnen, während bei homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln besondere Wirkprinzipien eine Rolle spielen.
Der Weg einer Arzneipflanze vom Feld in die Faltschachtel ist lang. Die Pflanzen stammen überwiegend aus kontrolliertem Anbau, teilweise aber auch aus Wildsammlungen, denn der Bedarf ist hoch. Nach der Ernte wird das Pflanzenmaterial, die sogenannte Arzneidroge, gesichtet, gereinigt, getrocknet, geschnitten und möglichst schonend weiterverarbeitet. Zum Einsatz kommen alle möglichen Pflanzenteile wie Blätter, Kräuter, Stängel, Wurzeln und Samen oder Samenschalen.
Am Ende stehen zum Beispiel Trockenextrakte oder Tinkturen, in denen bestimmte Pflanzeninhaltsstoffgruppen angereichert sind, oder auch Arzneitees. Im Unterschied zu chemischen Wirkstoffen sind Extrakte Vielstoffgemische. Sie werden zusätzlich umfassend auf Verunreinigungen wie zum Beispiel durch Pestizide oder Schwermetalle geprüft. Der analytische Aufwand ist daher wesentlich höher als bei chemisch definierten Arzneimitteln.
Nicht nur die Analyse ist aufwendig, sondern auch die Herstellung: „Der Prozess von der Planung der Anlage bis zum Start der Produktion kann sich bis zu eineinhalb Jahre hinziehen", berichtet Prof. Dr. Martin Tegtmeier, Herstellungsleiter bei Schaper & Brümmer. Auch jede einzelne Produktionscharge müsse lange im Voraus geplant sein. In der meterlangen, vollautomatischen Konfektionierungsapparatur in Salzgitter werden an fünf Tagen in der Woche jeweils 12.000 bis 13.000 Packungen eines der Hauptprodukte konfektioniert. Tegtmeier sagt: „Wichtig ist vor allem, dass der Herstellungsvorgang verlässlich und reproduzierbar die gewünschte Qualität liefert." Das Unternehmen baue auch selbst Arzneipflanzen an, wie zum Beispiel die Traubensilberkerze und die Thuja.
Für eine Anzahl pflanzlicher Zubereitungen haben phytopharmazeutische Unternehmen in den letzten Jahrzehnten umfangreiche pharmakologische und klinische Forschung betrieben. Ziel war die wissenschaftliche Absicherung ihrer Anwendungsgebiete. Das gilt zum Beispiel für das Johanniskraut, die Traubensilberkerze, den Ginkgo, die Früchte der Sägepalme und den Mönchspfeffer.
Eine weitere Gruppe pflanzlicher Arzneimittel hat keine klassische präklinische und klinische Entwicklung durchlaufen. Meist beruht ihre Verwendung auf gut dokumentierten Erfahrungen. Viele Arzneipflanzen werden in Europa seit Jahrhunderten in der Volksmedizin eingesetzt. Ihre Wirkungen und Nebenwirkungen sind ausführlich beschrieben. Pflanzliche Zubereitungen, die seit mindestens 30 Jahren - davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union - in medizinischer Verwendung sind, dürfen als „traditionelles Arzneimittel" in den Verkehr ge